Dienstag, 10. Juni 2014

Satelliten in der Atmosphäre

Habt ihr auch schon Sternschnuppen am Nachthimmel beobachten können, Naturerscheinungen mit hellen Leuchtspuren? Meteorerscheinungen dauern nur Sekundenbruchteile. Jemand, der zufällig eine Sternschuppe sieht, hat einen Wunsch frei, der angeblich in Erfüllung geht. So lautet ein volkstümlicher Aberglaube in vielen Ländern. Man schliesst die Augen und wünscht sich etwas. Wichtig dabei ist, dass man als einziger diese Sternschnuppe gesehen hat und niemand anderem von dem Wunsch erzählt, da er sonst nicht in Erfüllung geht.

Am Wochenende haben Paulchen und ich unsere neue Gartenlounge eingeweiht. Am Lagerfeuer haben wir gemütlich Cervelats gebrätelt. Ja, genau wir üben für später. Und haben uns auf die Zukunft gefreut, genauer auf das erste Mal grillieren mit unseren Kindern. Im Kopf gezeugt, sind sie nämlich schon eine Weile. Leider entspricht diese Tatsache noch nicht der Realität. Wir haben uns hingelegt, bequem zugedeckt und aufmerksam dem Treiben der Nacht gehorcht. Den Blick abwechselnd auf das Feuer und den Sternenhimmel gerichtet. Bald haben wir ein erstes, leuchtendes und sehr schnell bewegendes Objekt erspäht. Zahlreichte undefinierbaren Himmelskörper folgten. Die Lichtpunkte mit der enorm hohen Geschwindigkeit waren uns zunächst ein Rätsel. Zu einem Flugzeug unterschieden sich die Gegenstände ohne blinkenden, farbigen Lichter. Zudem brauchten sie nur wenige Minuten für den kompletten Überflug des sichtbaren Himmelteils. Wir beobachteten dieses berauschende Schauspiel und träumten vor uns hin. Natürlich, für dieses Spektakel gab es nur eine Erklärung. Die Antwort auf diese Frage fiel äusserst nüchtern aus. Satelliten. Sie dienen ganz unterschiedlichen Zwecken, privaten, militärischen und wissenschaftlichen. Trotzdem verlor dieser magische Moment mit einem geheimnisvollen Akzent nicht seine Anziehungskraft. Wir empfehlen allen, in einer warmen Sommernacht diesem Bühnenspiel zu folgen. Heutige Technik kann wirklich verblüffen.

In letzter Zeit und über das sonnige Pfingstwochenende haben wir uns viel Zeit genommen, sehr viel Zeit. Unsere Gefühle zu sortieren und unsere Reiseroute zu planen. Der Zug, auf den ich geschubst wurde, war nicht meiner. Bis vor kurzem hatte ich keine Ahnung, wo ich heute sein werde. Nein, ich mag die Reproduktionsmedizin nicht! Ich hatte nur eine vage Vorstellung, wie es sein könnte. Unter den negativen Erlebnissen habe ich gelitten. Zuerst dachte ich, mit jeder Enttäuschung falle ich zurück und komme nicht weiter voran. Aber nach jedem bewältigten Problem bin ich einen Schritt weiter. Jedes neu auftauchende Hindernis beginnt von einem höheren Entwicklungsstandort und bringt mich ein Stück weiter. Nicht im Sinn von grosser Hoffnung und tiefer Fall (Hoch-Tief-Hoch-Tief) eher eine kurvenreiche Linie, die immer steigt. Jedes Tief ist ein wenig höher als das letzte Hoch. Genau es ist meine Utopie. Für die Gesellschaft bedeutet Utopie eine unausführbare Vision, eine Unwirklichkeit oder ein Wunschbild. Für mich ist es mein Wunschtraum, der bisher keinen Ort hat und nur als Gedanke und Idee existiert. Der gegenwärtige Weg weist mich auf das Gleis A im Bahnhof.

Wieso Gleis A? Weil ich "A" mit Adoption verbinde. Als Ehepaar haben wir genau zwei Möglichkeiten wie wir zu unseren ersehnten Kindern kommen. Erstens wir adoptieren ein Spermium und lassen eine weitere ICSI-Behandlung über uns ergehen. Bei Paulchen sind leider genetisch bedingt keine zu holen. Nichts, null, nada! Oder zweitens wir adoptieren ein Kind. (Ausser Acht lassen wir skurrile Möglichkeiten wie z.B. Kidnappen von Kindern auf fremden Spielplätzen, oder Seitensprung-Ausführungen "Schatz ich hole uns die erforderlichen Spermien") Eine dritte Variante wäre, uns vom Kinderwunsch zu verabschieden. Die letzte Version wird im Augenblick ausgeschlossen.

Innerhalb weniger Tagen stolperten wir buchstäblich über die entstandene Richtung "Adoption". Und wenn man nicht selbst drauf kommt, hilft manchmal das Schicksal auf die Sprünge. Eigentlich wussten wir schon lange, wenn man bereit für etwas ist, kommt das Wie von alleine. Wir haben uns die richtige Frage gestellt. Was passiert mit Kindern, die keine Adoptiveltern erhalten? Das "fremde" Spermium ist somit total nebensächlich geworden. Wenn man sich die bedeutende Frage stellt und man wissen will, wer man ist, kann man so viel erreichen. Eine Voraussetzung ist, wir müssen bereit sein hinzusehen, dann öffnen sich die Türen. Es ist verflixt schwer, für sich selbst die Entscheidung zu treffen, wenn man irgendwo drin hängt. Und auch weil das eigene Bauchgefühl nicht das Bauchgefühl des Partners ist. Vielleicht auch weil man nicht immer machen kann, was man will, weil es halt irgendwie nicht geht… Heute meine ich: Doch es geht! Und die Antwort auf die Wie-Frage liefert uns das Leben. Jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde, jeden Tag und jeden Augenblick.

Tagaus tagein kann ich nicht glücklich sein, wenn ich nicht selber entscheide. Mir ist bewusst, dass es anders schon irgendwie geht, wenn ich mich treiben lasse. Aber eigentlich kann nur mein Urinstinkt mich dahin bringen, wo ich mich endlich angekommen fühle. Aus meinen Lebenserfahrungen kenne ich Wendepunkte, die oftmals mit Krisen verbunden sind. Wenn ich nach einem konstruierten Konzept lebe und nicht an meinen Wünschen festhalte, tappe ich dann nicht automatisch in die nächste Misere? Einen Moment geht das gut, bis mein Spirit sich frustriert meldet, weil sich das Korsett zuschnürt und mir der Atem weg bleibt. "Bist du dir treu oder tust du das, was andere von dir verlangen? Habe ich vergessen, was ich will?" Gibt es ein ehrliches System in unserem Inneren, das uns zeigt, wo wir hin sollen? Schlagen nicht unsere Empfindungen Alarm, wenn wir in den falschen Zug einsteigen? Häufig ist das erste Bauchgefühl das Richtige. Also hören Paulchen und ich nun vermehrt auf die Sprache der Emotionen, dann werden wir zu uns finden, nehmen unser Schicksal in die Hand und werden glücklich.

Wir mussten einen Stopp einlegen. Wir haben Abstand von der allerwelts Kinderwunsch-Sache genommen. Wir mussten unser Denken bewusst umschalten. Quasi vom Drang ich muss handeln hin zur Notwendigkeit ich höre hin. Uns wurde von einer Fachperson vor knapp einem Jahr gesagt, solange ihr in der Reproduktionsbehandlung drin steckt, könnt ihr euch keinen objektiven Überblick verschaffen ICSI vs. Adoption. Ungeheuerlich habe ich mich über diese Aussage geärgert. Aber genau so ist es! Wenn man den Fokus auf die Kleinigkeiten richtet, geben diese den Weg frei auf einen völlig anderen Blickwinkel. In unserer Ruhezeit haben sich neue Kontakte, Gelegenheiten und Ideen entwickelt. Jetzt ist es an uns, was wir daraus machen. Ist es ein Stillstand oder Leerlauf? Oder vielmehr sogar Entwicklung?

Ich freue mich seit diesem Wochenende unermesslich auf unsere Zukunft und unsere Ferien. Sogar ein bisschen euphorisch bin ich. Garantiert Stolpersteine wird es weiterhin geben, aber ich darf keine Angst haben hinzufallen. Denn, wenn wir eines gelernt haben, ist es wieder aufstehen. Es gibt keine Ausreden mehr, dass wir kein Geld haben für eine Adoption. Auch hierfür gibt es einen Weg, vielleicht eine besser bezahlte Arbeit…

Nun wünsche ich euch, einen Haufen Sternschnuppen und den Mut und Entschluss anders zu sein. Es braucht einen langen Atem, aber verschiedenartige Farben machen das Leben bunt.

Herzliche Grüsse
Mariechen in alter Frische