Samstag, 12. April 2014

Brauchen Frauen Abenteuer?


Lichtblicke, http://www.fine-art-panorama.com/

Liebe Alle

Nein, ich spreche hier und jetzt nicht von durchorganisierten Reisen, mystischen Affären, von einschläfernden Unternehmungen oder von hektischen Shopping-Erlebnissen. Vielmehr von gedanklichen Märschen ins Unbekannte. Das gewohnte Umfeld wird verlassen bei dem der Ausgang ungewiss ist. Gerne dürft ihr mich auf meinen Streifzügen begleiten und eines ist sicher, es ist kein gemütlicher Spaziergang, sondern eine zermürbende Gratwanderung auf emotionaler Ebene beladen mit Gepäck voller Empfindungen.

Machtlosigkeit, Betroffenheit, Spürsinn, Wirkung, Zuversicht, Annahme, Aufregung, Besorgnis, Zweifel, Güte, Befürchtung, Verdrängung, Gewissheit, Schmerz, Wirrwarr, Panik, Intuition, Gemütszustand, Leidenschaft, Unruhe, Wut, Hingebung, Scheitern, Bodenlosigkeit, Erdung, Verstand, Angst, Geistesblitz, Herzklopfen, Niederlagen, Verständnis, Eifersucht, Temperament, Neid, Mitleid, Trauer, Hoffnung, Interesse, Begeisterungsfähigkeit, Trost, Liebe, Klarheit, Unsicherheit, Schwäche, Hingebung, Streben, Wiederstand, Ungeduld, Tiefe, Sehnsucht,…

Es ist meine Geschichte, mein Abenteuer, ja mein Leben. Oder besser gesagt, unser aufreibender Nervenkitzel über die ungewollte Kinderlosigkeit. Ich erzähle von unserer Odyssee, also von unserer langen Irrfahrt zum ersehnten Glück. Unglaublich viele Frauen sind gezwungen diesen Weg zu beschreiten und ich bin eine Betroffene unter Unzähligen. Und zum allerersten Mal gelange ich an Grenzen und hinterfrage mich, ob wirklich der Weg das Ziel ist? Denn ja, ich lebe und spüre Schmerz, Leid, Zorn und Verzweiflung... also lebe ich wohl… Diese Achterbahn von Gefühlen habe ich mir nicht ausgesucht, nein wohl eher bin ich vom Leben auserwählt worden, wofür denn? Diesen hölzernen Weg zu beschreiten? Wieso? Aha stimmt, das Leben ist kein Wunschkonzert, oje bitte entschuldigt, das habe ich kurz vergessen…

Sehr, sehr lange wirklich viel zu lange, haben mein Mann und ich nicht über dieses Thema mit Aussenstehenden gesprochen. Gerade weil es so persönlich und privat ist. Erst mit den ganzen medizinischen Abklärungen konnten wir uns endlich unserem engsten Umfeld ein Stückchen öffnen und ihm unser Problem erklären. Für mich ist es elend schwer darüber zu reden, denn als eher ruhige und reservierte Person fällt mir das wirklich nicht locker und leicht. Und ich werde auch künftig nicht entkrampft darüber erzählen können. Nun weiss ich aber, damit mich meine Mitmenschen ein Stückchen besser verstehen können, komme ich nicht darum herum, ihnen meine Situation zu erläutern. Denn Kinderlosigkeit ist ja nicht Standard, sondern die Ausnahme. Und ist auch immer etwas, das verdeutlicht werden muss. Weil die Gedanken der Zeitgenossen nicht vorhersehbar sind. Zum Glück nicht, ansonsten hätte nämlich auch ich etwas dagegen. Die Meinungs- und Gedankenfreiheit ist für mich ein sehr kostbares Gut! Aber es liegt in meiner Hand, wie ich auf andere reagiere, wirke und vielleicht auch ein wenig Berieselung einnehme. Was mein Umfeld daraus macht, bleibt ihm überlassen. Es kann versuchen zu verstehen meine Situation, mein Verhalten und meine Handlungen, wenn es den verstehen möchte. An guten Tagen ist mein Sinn für Ironie stärker als mein Pessimismus. In Tagen der Erstarrung verstehe ich meine Vorhaben nicht als Flucht, vor den sich häufenden Problemen, sondern ich handle einfach, wie in Trance und doch in der Überzeugung die einzig mögliche Entscheidung getroffen zu haben…

Am besten geht es mir, wenn ich im Alltag funktionieren darf und es nicht überall zum Gesprächsthema aufgegriffen wird. Und es ist gut, wenn ich Schwangeren und Familien begegne und mich mit ihnen freue, aber meinen Schmerz müssen sie ja nicht gleich offensichtlich erkennen. Denn ich bin eine Betroffene, aber das letzte was ich will, ist ein Opfer sein. Ja, die traurigen Augenblicke nehmen momentan viel Platz ein in meinem Leben, wo ich weine und die Welt beschimpfe. Und eines könnt ihr mir glauben, diese Momente sind in letzter Zeit nicht spärlich.

Das gemeine am Kinderwunsch ist, wenn die biologische Uhr abläuft. Nun ist es ja nicht so, dass er eines schönen Tages verschwunden ist. Er lässt sich auch nicht wegblasen wie eine Seifenblase, die dann unweigerlich plötzlich zerplatz. Er ist der ständige Begleiter, ein Leben lang. Einen Abschied davon stelle ich mir unendlich schwer vor, und ich bewundere jede und jeden, die diesen Weg gegangen sind. Die Kriegswerkzeuge niederzulegen und die Kinderlosigkeit zu akzeptieren, das ist meines Erachtens unermesslich stark. Nein, ich kann die Niederlage (noch) nicht akzeptieren, deshalb bin ich in dieser impulsiven Kampfbereitschaft immer und überall. Spontan jetzt gerade würde ich gerne auf dieses Abenteuer unseres Kinderwunsches verzichten. Entgegen diesem Verlangen ist mir unverkennbar bewusst, dass ich nicht so fühlen könnte, würden wir diesen Pfad nicht gehen müssen.

Nun, wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Stimmt es, dass es sein muss: ist für heute wirklich Schluss? Heute sind nicht alle Tage, genug ist zu wenig, ich komm wieder keine Frage.

Herzlichst Mariechen



Keine Kommentare: