Mittwoch, 16. April 2014

Wieso wünscht man sich Kinder?

Bei unserem Thema finde ich das eine berechtigte Frage, welche mir bereits tausend-fach gestellt worden ist. Hin und wieder überlege ich mir, ob sich Eltern diese Frage auch schon aus ihrer Perspektive so ausgeprägt in Erwägung gezogen haben, wie wir Kinderlosen…

Gut, wieso kämpfen, weinen, schwitzen, ringen und quälen wir uns für unseren Wunsch nach Kindern? Bevor ich mich für mein Verlangen rechtfertige, muss ich kurz erwähnen, dass ich auch gefragt wurde, ob sich dieses Streben wirklich lohnt? Ob es nicht besser wäre, sich auf ein Leben ohne Kind einzustellen? Wieso engagieren wir uns dermassen? Und wie wird es sich anfühlen, wenn sich dieser sehnlichste Wunsch einmal erfüllen sollte? Welche Ansprüche folgen als nächstes? Wünscht man sich dann ein grösseres Haus, einen erfolgreicheren Job, ein schnelleres Auto, ein kuscheliges Haustier, luxuriösere Ferien? Ganz ehrlich, über solche materialistische Forderungen habe ich mir in dieser Beziehung den Kopf noch nicht zerbrochen. Ich liess sie einfach im Raum stehen und trotzdem haben mich diese Sequenzen zum Nachdenken angeregt. Ebenfalls haben sie mich etwas verunsichert, bergen sie ernsthaft ein gewisses Konfliktpotential?

Es kommt auf die persönliche Grundhaltung an, finde ich. Auf Basis von meiner Herkunft, kann ich hier ehrlich bestätigen, dass ich schlicht und unkompliziert genug bin, um nicht solchen besitzergreifenden Reizen zu verfallen. Ja, ich vertraue meinen Wurzeln, versuche meine Werte zu berücksichtigen und mit Weitsicht zu agieren. So hoffe ich, meinen Weg zu finden unter Berücksichtigung von Verständnis und Balance, und garantiert immer im Wissen woher ich komme.

Demzufolge lege ich mich ins Zeug für die Zukunft meines Mannes, die Zukunft meiner Liebsten und natürlich für meine Zukunft. Die Vergangenheit ist passé, geschehen ist geschehen und ich kann sie nicht rückgängig machen. Die Welt dreht sich weiter, immer und überall. Nach der dunklen Nacht folgt der helle Tag, es wird wieder Nacht und der nächste Tag wartet auf uns. Nicht viel gehört mir, meine Zukunft schon und gewisse Dinge davon kann ich steuern andere nicht. Deswegen versuche ich meine positiven Gedanken auf die beeinflussbaren Sachen zu richten. Leider misslingt es mir manchmal bzw. ein paar Mal öfter.

In meinen Rückblenden habe ich mir "meine" Gastkinder aus Genf verinnerlicht. Im Jahr 1999 durfte ich mich um drei kleine Sprösslinge kümmern als Aupair-Mädchen. Heute habe ich bedauerlicherweise keinen Kontakt mehr, schade. Gerne und viel erinnere ich mich an diese Zeit zurück. Es gab viele lustige, fröhliche und heitere Stunden, aber natürlich auch schwierigere. Dank diesen Kindern habe ich die französische Sprache sprechen gelernt. Denn sie löcherten mich, waren neugierig und forderten mich, so wurde ich ins kalte Wasser geschossen, ich musste antworten und wollte auch. Anfangs stockend und sie korrigierten mich, allmählich verlor ich meine Hemmungen und es sprudelte nur so aus mir heraus und ich konnte das Erlernte aus der Schule anwenden. Manchmal habe ich sogar in Französisch gedacht, wie schräg war das denn.

Mit den Kindern habe ich Barbie gespielt. Obwohl ich es nicht mochte und ich mich heute noch nicht dafür begeistern kann, einfach weil ich nicht so der Püppchen-Typ bin. Aber ich habe mich ihnen zuliebe hingesetzt und beschäftigt. Viel lieber habe ich mit ihnen Fussball und Fangen gespielt, Trickfilme geschaut, bei Schulaufgaben geholfen, sie getröstet, wenn sie traurig waren, für sie gezeichnet, sie in der Schule abgeholt und wenn sie auf dem Schulweg von frechen Schulkameraden angegriffen wurden, verteidigte ich sie. Stritten sie sich untereinander, habe ich geschlichtet und Überzeugungsarbeit beim Zvieri-Essen geleistet. Nun ist es doch schon ein Weilchen her. Wahrscheinlich klingt das jetzt völlig banal, aber ich habe bis heute keine zufriedenere Arbeit gefunden. Denn, ich war mit meinem ganzen Herzen dabei. Bestimmt, es gab auch Situationen, wo ich überfordert war, dann konnte ich auf die Hilfe meiner Gasteltern zurückgreifen.

Ja, dafür kämpfe ich. Für ein Leben, wo ich mit ganzem Herzen dabei sein darf. Wo ich nicht gemessen werde anhand meines beruflichen Erfolges, sondern die inneren Werte mehr zählen. Ooohhh, ich wünsche es mir so sehr! Ja, dafür stehe ich jeden Morgen auf und kämpfe. Es kann sein, dass wir an den finanziellen Hürden scheitern, wenn eine Ausland-Adoption konkret wird. Dann müssen wir unseren Traum vertagen, bis wir das Geld mühselig zusammengespart haben. Und in diesem Fall können wir es vermutlich erst in zwei bzw. drei Jahren angehen. Wollen wir es dann überhaupt noch? Ich weiss es nicht tatsächlich! Aber ich bin mir ganz klar bewusst, wofür ich jetzt kämpfe.

Ein 6-jähriger Junge ist mein Patenkind. Für ihn interessiere ich mich, schenke ihm Erlebnisse und Zeit. Begeistert erzählt er mir aus seinem Alltag und quetscht mich aus. Somit habe ich als Gotte die aussergewöhnliche Chance als Bezugsperson ihm die Welt zu erklären. So gut wie möglich, versuche ich richtig und glaubwürdig zu antworten. Auf Fragen wie: Weshalb macht ein Traktor Lärm? Warum träumen wir? Wieso ist die Banane krumm? Weshalb ist Gras grün? Warum brennen Brennnesseln auf der Haut? Was passiert, wenn ich sterbe? Wieso raucht Onkel Thomas? Wie heiss ist die Sonne? Pupsen Fische?

Der Knirps nimmt mich beim Wort und aus meinen Antworten gestaltet er sich seine eigene Weltanschauung. Hin und wieder erlaube ich mir ein Spässchen und wir beide können uns beinahe totlachen. Oder ich mildere Fakten und Wahrheiten ab, denn die Realität des Lebens wird er früh genug zu spüren bekommen. Manchmal kann ich ihm nur mit einem ratlosen Schulterzucken mein Unwissen offenbaren. Und plötzlich gestaltet er sich seine eigene Antwort. Das Erstklassige an der kindlichen Neugier ist, dass diese Fragen mir immer wieder eine Welt aufzeigen, welche ich ohne sie manchmal vergesse oder teilweise auch nicht mehr sehe. "Mariechen, was ist das Gegenteil von Rechnen?" "Uiuiui, ich habe keine Ahnung." "Das ist doch logisch, schreiben…"

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