Dienstag, 22. April 2014

Knistern in der Luft

Vor einiger Zeit kündigte mein jüngerer Bruder einen kurzen spontanen Besuch bei uns an, was ja so schon selten genug ist. Und ich wusste sofort welche Stunde geschlagen hat. Denn seit längerem habe ich mir ausgemalt, wie ich mich fühlen werde, wenn diese Botschaft uns anvertraut wird. Somit habe ich mir eine eigene Taktik zurechtgelegt. Halt ein bisschen wie im Fussball. Zuerst den Gegner visualisieren, Handshake, antizipieren, den Wettkampf austragen, erneutes Handshake, sich den Sieg oder die Niederlage eingestehen, Resultat akzeptieren und abschliessend erhobenen Hauptes oder betroffen den Platz verlassen.

Total glücklich und aufgestellt, kam mein Bruder zu uns auf ein Bierchen, plötzlich streckte er uns eine Schachtel mit einem wunderschönen Verlobungsring entgegen, welche Ehre für uns – wir waren die ersten, die davon erfuhren – er wolle seine Freundin fragen, ob sie ihn heiraten möchte. Wir unterhielten uns noch über dies und das. Plötzlich eröffnete er uns ganz leise, dass er uns eine weitere Mitteilung zu überbringen habe. Für uns müsse es sich wohl wie einen Hammerschlag anfühlen, dass er im Sommer Vater werde.

Im Improvisieren, wenn ich mir meinen Schlachtplan vorher zu recht gelegt habe, bin ich wirklich weltklasse. Hm... Berechnung trifft den Umstand wohl besser. In diesem Moment konnte ich nicht anders, stand auf umarmte und beküsste meinen Bruder. Und, wenn ich das bei ihm machen darf, muss es gewiss einen triftigen Grund geben. Ich habe mich solchermassen für ihn gefreut und er freute sich über meine Reaktion. Ich glaube, er war auch etwas erleichtert über mein geradliniges Verhalten.

Liebes Böhnchen – wie dich "ungeborenes Baby" mein Bruder liebevoll nennt – du machst mich zur Tante, so traumhaft. Gespannt bin ich auf deine Welt und unsere gemeinsame Zeit. Und Liebes ich entschuldige mich bereits heute, wenn ich mir manchmal selber im Weg stehen werde. Es wird bestimmt nicht an dir liegen, garantiert auch nicht an deinen Eltern, sondern an meiner Situation. Denn eins ist mir klar, manchmal träume ich schwer, und nichts bleibt wie es war.

Die aufkeimende Missgunst, die schürfende Verletztheit und den bodenlosen Kummer habe ich im Verborgenen herunter geschluckt. Nur so konnte ich mich in diesem Augenblick einfach für meinen Bruder freuen und die Situation überstehen. Im eiligen Augenkontakt mit meinem Mann und anhand seines Schweigens konnte ich spüren, dass ihn die Nachricht tief getroffen hat. So mussten wir nach dem Gespräch wieder einmal die vielen gebrochenen Stücke unserer Herzen behutsam vom Boden aufheben.

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© Fotocommunity
Und wir wissen diese Blitzeinschläge kommen unaufgefordert, so müssen wir unsere Strategie festigen und verfeinern. Und Nachrichten in dieser Art berühren immer auch die eigenen Sehnsüchte. (Liebe "Guru", danke für das Ausleuchten meiner innigsten Gefühle.) Die Messerstiche ermatten niemals, mit den bisherigen neun Jahren unseres Kinderwunsches lernen wir immer eine Portion besser damit umzugehen. Gebratene Tauben fliegen leider nicht einfach so in den Mund...

2 Kommentare:

Wünsch dir was hat gesagt…

Wow, du bist ganz schön stark!
Es erfordert so viel Kraft in solchen Momenten ganz "normal" zu reagieren. Natürlich freut man sich für gewisse Menschen ganz besonders...aber - es tut jedesmal auch ganz schön weh. Und man fragt sich immer warum nur flutscht es bei anderen immer so dahin...obwohl auch diese Frage in der heutigen Zeit wahrscheinlich oft ganz schön ungerecht ist...
Ich kann im letzten Absatz euren Schmerz richtig fühlen...und ich muss schlucken weil ich es genau jetzt fühle, wie sehr wir uns unser Baby wünschen :,( und wie sehr auch unsere Männer darunter leiden...
Meine Liebe - du wirst eine fabelhafte Tante sein ♥ da kann sich das Böhnchen schon mal freuen!

Unknown hat gesagt…

Liebe Wünsch dir was, danke, eine sinnvollere Antwort bin ich gerade nicht im Stande zu schreiben. Manchmal spricht mein Briefkasten mit mir "Sie haben Post". Heute hat er es wieder einmal ungefragt getan. Aber mehr dazu ein anderes Mal, jetzt muss ich mich ein bisschen in Arbeit verkrümeln…